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Charta der
Toleranz
Menschliches Leben ist ständigem Wandel unterworfen. Das Spezifische unserer
Zeit liegt in der Geschwindigkeit und im Ausmaß tief greifender Veränderungen.
Daraus ergeben sich Orientierungskrisen. Als deren Folgen sind vielfältige
Phänomene der Intoleranz zu beobachten. Dem ist eine Kultur der Toleranz
entgegenzusetzen.
Die Grundtugend der Toleranz inhaltlich zu bestimmen, erscheint uns als
dringende Notwendigkeit. Zunehmende Individualisierung verführt viele, sich aus
der Mitsorge für andere zu verabschieden und die eigene Lebenswelt absolut zu
setzen. Gefährdet ist die Akzeptanz der Menschenrechte, die jedem einen
Eigenwert zuerkennt, weil er Mensch ist, unabhängig von Leistung und
Nützlichkeit. Gefährdet wird die Familie, welche ihrer Aufgabe als stabiler Kern
der menschlichen Gemeinschaften immer weniger gerecht werden kann. Die
Ökonomisierung aller Lebensbereiche bemisst die Bedeutung des Menschen nach
seiner Kaufkraft, zwingt in den Sog des Konsumierens und gefährdet eine
nachhaltige Entwicklung.
Im globalen Zusammenrücken der Menschen mit ihren Traditionen und
Weltanschauungen wird es unerlässlich, sich seiner Kulturidentität immer neu zu
vergewissern. Jeder Mensch hat das Anderssein des anderen zu respektieren und
bereit zu sein, dieses als Wert wahrzunehmen. Das wird gelingen, wenn alle im
Grundkonsens von Toleranz übereinstimmen. Dort, wo kein Konsens gefunden werden
kann, muss zumindest ein friedliches Zusammenleben gesichert werden.
Wir fordern jeden Einzelnen auf, im Interesse der Konsolidierung einer freien
Gesellschaft und einer friedlichen Zukunft die Idee der Toleranz in seinem
Wirkungskreis inhaltlich zu füllen und zu verwirklichen. Wir erinnern alle
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an ihre Pflicht, Toleranz als
gemeinschaftliches Gut zur Geltung zu bringen.
Nur Respekt für den anderen und Gesprächsbereitschaft ermöglichen ein
friedliches Miteinander. Den anderen sein lassen, wie er ist, sein Anderssein
hinzunehmen und es auch zu achten, darin liegt das Geheimnis eines einträchtigen
Zusammenlebens der Menschen verschiedener Religion, Sprache, Hautfarbe und
Ideologien.
Toleranz darf jedoch nicht bestehen gegenüber Intoleranz. Es darf keine Freiheit
geben zur Zerstörung der Freiheit.
Die Tugenden des Zusammenlebens
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1.)
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Toleranz ist die individuelle
Bereitschaft, für die Würde eines jeden anderen Menschen einzutreten. |
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2.) |
Toleranz findet ihren
Ausdruck in einer auf die Würde des Menschen verpflichtenden Werteordnung. |
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3.) |
Toleranz erfordert die
Fähigkeit des Menschen, den anderen zu verstehen und ihn in seinem
Anderssein zu respektieren. |
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4.) |
Toleranz setzt einen sicheren
Standpunkt voraus. |
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5.) |
Toleranz dient dem Schutz,
der Würde und Freiheit jedes Menschen in seinem kulturellen Umfeld. |
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6.) |
Toleranz zu garantieren und
weiterzuentwickeln ist allgemeine Verpflichtung und Kernelement jeder
Erziehung. |
Niemand kann aus den Scheuklappen einer kurzen menschlichen Existenz heraus,
aus welchen eugenischen Überlegungen auch immer, sagen, welche Genausstattung
wünschenswert ist.
Zitat Prof. Horst Seidler, Wien, 18.1.2000
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